Jahr: 2017

LEBENDE BÜCHER

Seit September 2017 gibt es ein neues soziales Projekt in unserer Stadt. Die Rede ist von „livebooks | Fragen. Verstehen. Wertschätzen.“, einem neuen Angebot des Fördervereins Wärmestube e. V. Mit den Stichworten „Fragen. Verstehen. Wertschätzen.“ machen die Veranstalter bereits deutlich, worum es ihnen bei dem Projekt geht: um ein Miteinander statt Übereinander, um eine Begegnungen der etwas anderen Art. Im Mittelpunkt des Projekts stehen „lebende Bücher“. Dabei handelt es sich um Menschen, die meist unter besonderen Lebensumständen aufgewachsen sind oder denen außergewöhnliche Lebensschicksale zuteil wurden. So wie auch Michael S. (Name geändert) Wie bist du auf livebooks aufmerksam geworden? Teilnehmer: Ich kannte den Förderverein bereits aus der Schmökerkiste, in der ich seit längerer Zeit aktiv bin. Adrian [Anm.: Betreuer des Projekts] sprach mich dann gezielt darauf an, ob ich mir vorstellen könnte, an dem neuen Projekt mitzuwirken. Anfangs war ich skeptisch, doch mit der Zeit sah ich auch, dass es wichtig ist, darüber zu reden, und dass es auch mich im Umgang mit meiner Erkrankung weiterbringt. Michael S. leidet seit fast 20 Jahren an den Symptomen …

Du hast den besten Balkon der Stadt

ES IST TIEF IM WINTER … JETZT MACH DIE AUGEN ZU UND TRÄUM DICH ZURÜCK: IN DEN WARMEN WÜRZBURGER SOMMER. Du hast den besten Balkon der Stadt, wir sitzen im vierten Stock und beobachten das Herzkreislaufsystem der Umgebung. Es ist stabiler als unseres, die Straßenbahnen takten sich, die Lichter, die Uhren, die Alarmanlagen und die Bremsen der Automobile, die immer gerade noch rechtzeitig ausweichen. Wir bewegen uns fast eine Woche nicht, eine Membran aus Temperatur hat sich um die Gliedmaßen gelegt, dein linkes Auge immer halbgeschlossen, denn Zweidimensionalität reicht uns momentan, mehr wollen wir gar nicht; in diesem Kontext ist das mehr als wir anderswo jemals bemerkt haben. Zur blauen Stunde ziehen wir uns eine Adaption von Gesellschaftsfähigkeit über, fahren mit dem Lift – in dem wir uns kurz küssen – runter, und nehmen die wichtigen Punkte der Stadt ein. Wir schlucken die Stadtviertel wie Pillen, wir inhalieren den schwülen Dunst der Dämmerung und baden in den Brunnen vor strategisch wichtigen Gebäuden der Tourismusbranche. Und es geht ja nicht nur um Tourismus, es geht ja um …

Irgendwas mit Äpfeln???

Wahrscheinlich hast Du schonmal irgendwo irgendwas davon gehört, es nennst sich NLP, die Neuro-Linguistische Programmierung. Dabei geht es darum, die Psyche eines Menschen durch gewisse Sinnesreize  (hören, schmecken, fühlen, riechen und sehen) zu manipulieren. Ein bekanntes Beispiel, dass diese Verhaltensmodifikation nicht nur auf den Menschen beschränkt ist, ist der Pawlowsche Hund. Jedes Mal, bevor der Hund sein Futter bekommt, wird ein Glöckchen geläutet. Nach einer gewissen Zeit verbindet der Hund das Läuten mit „Gleich gibt’s was zu Essen“ und fängt an zu sabbern, eine Neuro-Linguistische Programmierung hat stattgefunden; Glöckchen = Futter. In früheren Zeiten, bevor es Mobiltelefone und elektronische Terminkalender gab, war der berühmte „Knoten im Taschentuch“ eine beliebte Methode, sich wichtige Dinge zu merken, ebenso einfach wie genial. Falls es etwas Wichtiges gab, hat man sein Stofftaschentuch genommen und einen Knoten reingemacht. Man ging dann seiner gewohnten Tätigkeit nach und musste nicht dauernd angestrengt versuchen, etwas im Hinterkopf zu behalten, um es nicht zu vergessen. Im Laufe des Tages hat man dann irgendwann (wahrscheinlich zum Naseputzen) zum Taschentuch gegriffen, bemerkte den Knoten, wusste wieder …

Berühmt & berüchtigt / Das Studio schreibt 15 Jahre Clubgeschichte

Ich weiß noch genau, wie es war – mein erstes Mal mit dem Studio. Ich war gerade 18 und wir schrieben das Jahr 2006. Schon damals schallte die Mundpropaganda über den Club lauter als die Musik auf der Tanzfläche: Man kam angeblich als Gentleman nur mit Anzughose rein und als Lady mit High Heels. Eigentlich gar nicht mein Ding, denn ich trug Turnschuhe mit Klettverschlüssen an den Füßen und wilde Locken auf dem Kopf. Und hatte Schiss, nicht schick genug zu sein. Trotzdem reizte mich irgendwas an dem Laden. Deshalb sagte ich zu, einen Artikel zu schreiben über einen Abend mit DJ Richard Dorfmeister. Außerdem liebte ich die Kruder & Dorfmeister Sessions. Vor der Tür gab es damals noch keine Schlange bis hinüber zur Kirche, in stilvollem Ambiente wurde geraucht und die Lounge war in schwarzes Leder getaucht. Trotz der vielen High Heels wurde mein erster Abend großartig. Aber nicht allein wegen der Musik. Es war eher ein Eintauchen in ein Gefühl, das man eine Nacht lang auskostet. Wie alles begann Vielleicht liegt dieses besondere Gefühl …

#YouProbably Too?

Angst. Wut. Scham. Verzweiflung. Die richtigen Worte, das auszudrücken, was man fühlt? Fehlanzeige. Stattdessen: gar keine Anzeige. Was bleibt, ist fortwährendes Schweigen, das dich zu brechen droht, ehe du es brechen kannst. Bis eine die unbequeme Wahrheit ausspricht – und es ihr plötzlich Tausende gleichtun. Wenige Wochen ist es her, dass die New York Times einen Artikel veröffentlichte, in dem über ein Dutzend Frauen den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein anklagen, sie sexuell belästigt zu haben. Seitdem vergeht kein Tag ohne neue Äußerungen mutmaßlicher Opfer, in sechs Fällen ist sogar von Vergewaltigung die Rede. Bei den Betroffenen handelt es sich vornehmlich um junge Schauspielerinnen, die zum Zeitpunkt der Übergriffe am Anfang ihrer Karriere standen, unter ihnen namhafte Stars wie Angelina Jolie, Cara Delevingne und Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong’o. In einem Gastbeitrag für die New York Times schildert die 34-Jährige, wie sie 2011 als Schauspielschülerin den mächtigen US-Produzenten kennenlernte – und was nach dem obligatorischen Abendessen in dessen Wohnhaus geschah. Demnach soll Weinstein seinem Gast ohne Umschweife eine Massage angeboten haben. „Zuerst dachte ich, er scherzt“, erinnert sich die …

Faire & stilvolle Mode

Unter dem Motto „Kleines Glück mit großer Wirkung“ bietet liten lycka und JAC fairproduzierte Kleidung an. Dass dies nichts mit zeltförmigen, tristen Kleidern und Jutebeuteln zu tun hat, wird schnell klar. Der neu eröffnete Laden besteht aus zwei Bereichen, die von Jill Collins und Diana Moegen geführt werden. liten lycka steht  für das kleine Glück im Leben, welches sich durch gemütliche Wohn-accessoires ins Heim holen lässt. JAC bedeutet Just Act Collective: Gemeinsam etwas Gutes tun. Durch ihr eigenes Handeln möchte Jill auf globaler Ebene im Alltag ihrer Partner, Näherinnen und Kundinnen etwas Gutes tun. So handeln alle gemeinsam – und füreinander. Nachhaltige Unterstützung der Näherinnen Während ihres Studiums am Fashion Institute of Technology in New York hegte Jill den Traum von einem Laden, um kleine Labels zu unterstützen. Als sie nach Deutschland zog, wurde soziale Gerechtigkeit immer wichtiger für sie. Heute unterstützt Jill mit JAC aufstrebende Designer, kleine Labels – und deren Näherinnen. Am liebsten bietet Jill Kleidung von Labels wie Elegantees an, bei dem nepalesische Frauen arbeiten, die der Zwangsprostitution entkommen sind – und …

Stadtgeschichten

JUGEND VON HEUTE  AM SANDERRING Zwei coole Jungs, etwa zehn Jahre alt, spazieren abends mit Skateboards unterm Arm und Cappy auf dem Kopf am Sanderring um die Ecke und philosophieren: „Ey, überall diese Handys, die nerven total, die Jugend von heute weiß gar nicht mehr, wie das Leben ohne Handy funktioniert … ständig glotzen alle bescheuert auf den Bildschirm und sehen die Welt gar nicht mehr … mich nervt das total. Ich will auf keinen Fall eines haben!“     VORARBEITER EINER BAUFIR MA ERKLÄRT MIR SEINE MITTÄLGLICHE TEAMBUILDING-MASSNAHME: IM TREPPENHAUS „A guats Deam is sau wichtig: Wenn der Stefan (Mitarbeiter) zum Mittach halt e mal n Göger (Hähnchen) ess will, dann hol ich ihm ennen … weil der Stefan muss auch ordentlich abdrücken: drei Kinder von drei Frauen: Da wesst wos Geld hinleft!“     INNENSTADT IM HANDYLADEN Hallo , KANN ICH DAS BITTE WIEDER HABEN? Ich kaufe mit einer Freundin ein neues Telefon. Genauer gesagt ein Handy, welches gerade sehr begehrt, weil neu, ist. Sie bekommt es als gute Kundin als eine der …

Balz auf dem Würzburger Catwalk

Von dezentem Wegschauen hält man hier nichts: In Würzburg wird hinterhergeguckt, was das Zeug hält. Klar, dass es in lauen Sommernächten zwischen Festung und Residenz auf den städtischen Catwalks nur so wimmelt.  Als Einstieg für Touris, Neuwürzburger und gut betuchte Franken eignet sich natürlich am besten die Alte Mainbrücke. Eintrittskarte für die Mainvariante der Münchner Schickeria ist lediglich der klassische Brückenschoppen, den es geschickt durch die Menschenmassen zu jonglieren gilt. Für die Damen schickt sich außerdem die hochgekrempelte weiße Hose, kombiniert mit einer leichten Daunenjacke in pastelligen Frühlingsfarben. Dazu eine männliche Begleitung, leicht gebräunt, mit lässigem Kaschmirpullover über den Schultern. So lehnt man sich dann elegant neben Kilian an die Brückenmauer und begutachtet die – im Rausche des Weines – mediterran anmutende Landschaft. Und ihre Bewohner. Halbwegs unauffällig. Ganz und gar nicht unauffällig läuft das Prozedere dagegen beim Sonntagstreff ab. Location: MS Zufriedenheit beim Kulturspeicher. Niveau: für Würzburger, die schon ein paar Leute kennen. Denn hier guckt man sich unverblümt hinterher und grüßt dabei lässig nach links und rechts. Je häufiger, desto besser. Kommt man …