„Wenn ich nachts nicht schlafen kann, wühl ich mich durch meine Dokumente.“ Klaus Meixner handelt mit Autographen – und besitzt eine beeindruckende Sammlung von mehreren tausend Schriftstücken. Wir haben ihn in seinem Archiv besucht und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Lest selbst.
„Ob ich Interesse hab? Meinst du das ernst?“ Meine spontane Reaktion auf das Angebot, ein Interview mit einem Würzburger Handschriftensammler zu führen, lässt Nico grinsen. „Hab ich mir fast gedacht“, antwortet er. Eine Woche später machen wir uns also mit Kamera, Block und Kuli bewaffnet auf den Weg in die Friesstraße – dort befindet sich das Fachantiquariat des Autographen Klaus Meixner.
Zugegebenermaßen hab ich mich nicht gerade wahnsinnig intensiv auf das Interview vorbereitet. Ein wenig recherchiert und zur Sicherheit nochmal die Definition des Worts Autograph gegoogelt. Interviewfragen hab ich mir für den Fall der Fälle zwar notiert, war mir aber sicher, dass all meine Fragen sowieso ganz von selbst aus mir heraussprudeln würden, weil ich das Thema so spannend finde. Dementsprechend habe ich auf dem Weg zum Interview nur eine vage Ahnung, was mich erwartet – Nico geht’s genauso, verrät er mir. Wobei der nach seinem Telefonat mit Herrn Meixner schon einen ersten Eindruck von ihm gewonnen hat: „Klingt nach einem echt netten, witzigen Herren – ich freu mich auf unser Gespräch mit ihm.“ Ich auch.
Als wir klingeln, passiert erstmal eine Weile nichts. Schließlich macht sich die Sprechanlage aber doch bemerkbar und eine fröhliche Stimme meldet sich zu Wort – wir sollen einfach hochkommen, zweiter Stock. An der Wohnungstür strahlt uns Klaus Meixner entgegen und heißt uns willkommen. Offenbar ist er bester Laune. In Jeans und barfuß. Steif wird unser Aufenthalt hier also schon mal nicht ablaufen, denke ich, und freue mich direkt noch ein bisschen mehr. Nico stellt uns als Nico und Lisa vor. „Ach, sehr schön – ich bin der Klaus, so ein förmliches Getue braucht doch kein Mensch!“ Er wird mir immer sympathischer, der Klaus.
„Dort hinten ist das Archiv“, erklärt er und zeigt auf einen Raum am Ende des Gangs. Die restlichen Zimmer seien seine Wohnräume. Hab ich’s mir also nicht eingebildet, dass es hier nach Essen duftet. Im Archiv angekommen, mache ich große Augen wie ein kleines Kind. Nico zückt sofort die Kamera. Staunend schauen wir uns um und sind fasziniert von all den Schachteln, Kartons und Kisten, die sich bis unter die Decke stapeln und fast aus den Regalen platzen. „Gibt es eigentlich bestimmte Vorschriften oder Regeln, die man beim Lagern von Handschriften befolgen muss?“, frage ich vorsichtig. „Nö“, antwortet Klaus. „Hauptsache, es kommt kein Licht ran und bleibt trocken.“ Na dann. Wir setzen uns an einen großen vollgeräumten Tisch mitten im Zimmer. „Schiebt den ganzen Kram einfach beiseite“, sagt Klaus und verkündet, dass wir ihm ruhig ganz ohne Scheu unsere Fragen stellen sollen. Das sei ihm lieber, als von sich aus loszuerzählen, er sei nämlich manchmal etwas schüchtern. Dann fängt er an, von sich aus loszuerzählen und ist überhaupt nicht schüchtern. Umso besser, denke ich grinsend und schreibe fleißig mit. Begonnen hatte alles mit einer Originalhandschrift, die dem Vater von Klaus Meixner während seines Studiums in die Hände fiel. „Dieses Schriftstück faszinierte ihn sehr. Daraufhin gab’s kein Halten mehr“, sagt Klaus und lächelt. Meixner Senior war ein erfolgreicher Bauunternehmer in Würzburg, sein eigentliches Interesse galt jedoch schon immer der Kultur. Irgendwann entstand in ihm der Wunsch, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Dass es für signierte Briefmarken, Sonderstempelkarten und andere Handschriften einen Markt gab, fand Klaus Meixners Vater besonders spannend – und so war der Grundstein für eine bald schon stetig wachsende Handschriftensammlung gelegt. 1973 meldeten seine Eltern das Geschäft an und Klaus war von Anfang an involviert.
Als später die Computer kamen, hatte er das Fachantiquariat bereit fast vollständig übernommen, das er bis heute voller Begeisterung allein weiterführt. „Läuft richtig gut“, plaudert Klaus aus dem Nähkästchen. Deutschlandweit kann man die Antiquariate, die sich ausschließlich auf Handschriften spezialisiert haben, an einer Hand abzählen. Meixners Fachantiquariat für Originalhandschriften hat sich im Laufe der Jahre einen Namen gemacht und ist eine wahre Fundgrube für Sammler aus aller Welt. Neben interessierten Privatpersonen und Journalisten umfasst die große Kundenkartei von Klaus Meixner auch Universitäts- und Staatsbibliotheken, (Literatur-)Archive und zahlreiche Institute. Ob zu Forschungszwecken oder aus Sammelleidenschaft – die Leute wenden sich immer gern an Herrn Meixner und suchen oft auch den persönlichen Kontakt. „Autographe sind Echtrealien, das Internet ist da gar nicht so spannend.“ Zwar handelt es sich bei dem Fachantiquariat um ein Versandarchiv, doch Klaus Meixner mag es, jemanden persönlich zu empfangen und sich gut zu unterhalten. „Ich liebe es, mit meinen Kunden interessante Gespräche zu führen und kenne einige meiner Stammkunden schon seit vielen Jahren.“ Besonders schön findet es der Würzburger Volkskundler, wenn er mit seinen Handschriften zur Erforschung eines bestimmten Sachverhalts beitragen kann. Kommen also Studenten, Doktoranden, Dozenten oder Professoren anlässlich ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf den Handschriftensammler zu, lässt das sein Forscherherz höher schlagen. Am meisten Spaß macht ihm aber das eigene Forschen – echte Detektivarbeit, wie Klaus es nennt. Die schönsten Dinge nämlich gebe es nicht im Handel, sondern blieben oft lange versteckt und unbemerkt: „Wahre Schätze kann man zum Beispiel ganz klassisch auf Flohmärkten, aus Nachlässen, auf alten Dachböden oder in der berühmten Kiste des Großvaters entdecken – man muss nur etwas Glück haben.“ Dann könne einem schon mal eine Handschrift von Mozart, Schiller oder Alexander von Humboldt begegnen.
Als Autograph gilt übrigens alles, was handgeschrieben ist – originale Handschriften berühmter oder weniger berühmter Personen, Manuskripte, Dokumente, Urkunden, Briefe, Widmungsexemplare, Notizen, Postkarten, handschriftliche Erinnerungsstücke aller Art, Autogramme, Sammlungen, Nachlässe, Albumblätter, Korrespondenzen … „Und all das findet sich hier in diesen Schachteln?“, frage ich und werfe einen neugierigen Blick auf eines der vollgestopften Regale neben mir. „Ganz genau“, lacht Klaus. Er erklärt, dass es sehr wohl ein übersichtliches System gibt, nach welchem er seine Kostbarkeiten sortiert – auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht danach aussehen mag. „Was wollt ihr denn sehen? Vielleicht etwas von Adenauer? Heinz Rühmann? Wilhelm II.?“ Zielsicher zieht er eine der gefühlt tausend Schachteln aus dem Regal und zeigt uns ein altes Schriftstück mit wunderschönem Schriftzug. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass sich mein konkretes Geschichtswissen über Wilhelm II. etwas in Grenzen hält – aber jedenfalls hatte er eine beeindruckende Unterschrift, soviel steht fest. 180 Euro müsste man hinlegen, um dieses Schriftstück zu kaufen. Geht eigentlich, denke ich. „Die Leute sind oft überrascht über die verhältnismäßig erschwinglichen Preise von Autographen“, erklärt uns Klaus Meixner. Dass man für ein Autogramm von Willy Brandt nur rund 50 Euro und für eine Postkarte mit Gruß und Unterschrift von Hermann Hesse nur um die 200 Euro zahlen muss, hätte ich tatsächlich nicht gedacht. Die niedrigsten Preise in Meixners Sortiment beginnen aktuell bei etwa 5 Euro, z.B. für eine Sonderstempelkarte von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, und enden bei mehreren tausend Euro, beispielsweise für einen Brief von Wittgenstein oder Karl May. „Ich hatte auch mal eine signierte Graphik von Picasso; die hab ich für circa 2.000 Euro verkauft“, berichtet Klaus. Schon wieder bin ich überrascht; als Laie denke ich beim Namen Picasso gleich ganz blauäugig an Millionenbeträge.
„Sind eben keine berühmten Gemälde, um die es hier geht“, gibt Klaus schmunzelnd zu bedenken. Na gut. Aber faszinierend finde ich diese riesige Sammlung alter und neuer Originalhandschriften trotzdem. Die ältesten Schriftstücke in Meixners Archiv gehen bis ins Mittelalter zurück; die jüngsten reichen bis zur Gegenwart. Alles, was jemals in Klaus Meixners Besitz war, hat er kopiert. Nur kopiert – das muss reichen. „Man könnte alles ausufernd betreiben, aber das muss doch nicht unbedingt sein.“ Recht hat er. Obwohl die Zeit wie im Flug vergangen ist und wir eigentlich aufbrechen müssten, möchte ich unbedingt noch erfahren, ob Klaus einmal ganz besonders stolz war auf eine seiner Handschriften. Da muss er nicht lange überlegen: „Ich hatte mal einen echten Luther. Aus einem Nachlass. Das war eine ganz wunderbare Entdeckung!“ Aus Prinzip behalten würde Klaus Meixner aber keine Handschrift: „Ich habe mich entschieden, mit Autographen zu handeln – und ich freue mich über jedes Schriftstück, das durch meine Hände geht. Umso glücklicher aber macht es mich, wenn es auch andere bereichert. Schließlich sind Autographe nicht dazu da, in irgendwelchen Kartons zu verstauben.“ Herr Meixner – es war mir eine Ehre. Wenn Sie mal wieder was von Wilhelm Busch dahaben, melden Sie sich bei mir.
Wen es interessiert, was Klaus Meixner so alles anzubieten hat, oder wer beim letzten Flohmarktbesuch vielleicht sogar selbst auf eine interessante Handschrift gestoßen ist und diese auf ihre Echtheit prüfen lassen möchte – hier der Link zu Klaus Meixners Website:
www.autographen-deutschland.com
Text: Lisa Dillhoff; Fotos: Nico Manger