Alltagsauto? Wohnmobil? Beides! Voilà: Das neue Campingbus-Konzept Crosscamp. Keine fünf Meter lang, nicht mal zwei Meter hoch, extrem handlich, trotzdem viel Platz und erstaunlich genügsam in Sachen Spritverbrauch. Kurz gesagt: DIE perfekte Homebase für einen spontanen Liebe-Nachbarn-Trip ins Blaue…
Apropos spontan. Okay, eigentlich habe ich gerade sehr viel zu tun (zum Beispiel dieses Magazin fertig gestalten) und dementsprechend ziemlich wenig Zeit. Aber eine Woche spontan den neuen Crosscamp testen, viel erleben (und natürlich auch etwas arbeiten) hört sich einfach zu verlockend an. Los geht’s! Wen nehm ich mit? Meine Schwester Britta hat spontan Zeit und Lust – und schon stehen wir Montagfrüh auf der Matte, um in Isny im Allgäu unser temporäres Zuhause auf Rädern abzuholen. Letzteres wird auch hier umgebaut – Basisfahrzeug ist ein Toyota Proace, der in Isny zum Crosscamp veredelt wird. Wir sind gespannt.
Wir fahren ins Blaue, lassen uns von unserem Bauchgefühl leiten, haben keine Campingplätze reserviert, pfeifen auf Google Maps und greifen stattdessen – ganz oldschool – zur Straßenkarte. Schon nach wenigen Kilometern stellt sich das vielbeschworene Freiheitsgefühl eines Campers ein. Wir haben alles an Bord, was wir brauchen und lassen uns nicht hetzen – weil wir zwar eine Menge sehen, uns aber auch erholen möchten.
First stop: Schweiz. Am Thuner See nahe Interlaken machen wir unseren ersten Halt. Der See ist türkis, kristallklar und eiskalt. Wir können es glauben, ohne Buchung noch einen der vorderen Stellplätze am Wasser erhascht zu haben. Ein guter Start, das Glück scheint uns hold.
Im Handumdrehen ist das wunderbar praktische Hochdach ausgeklappt. Britta liest oben ein Buch, während ich eine Etage weiter unten am Laptop arbeite. Das klappt in dem Bus erstaunlich gut: Man sitzt bequem am Tisch, legt die Füße auf den Sitz gegenüber, kann oben aus dem Dach hinausblicken und sich – was man als Selbstständiger ja bekanntlich auch gerne tut – perfekt ablenken lassen. Ein schnelles LTE-Netz scheint im Ausland selbst in den entlegensten Winkeln zu existieren. Das Bürotelefon ist auf mein Handy umgestellt … was will man mehr?
IN DER SCHWEIZ SOLLTE MAN LIEBER KOCHEN
Britta testet die eingebaute Campingküche: Wir haben einen Gasherd mit zwei Kochstellen, einen Kühlschrank plus Kühlbox zwischen den beiden Vordersitzen sowie ein Handwaschbecken, jede Menge Stauraum, Schubladen, Schränke und Co. Umso besser, das Chaos lauert beim Campingurlaub erfahrungsgemäß schließlich überall.
Unser persönliches Highlight des Crosscamp ist aber definitiv das Aufstelldach: Wenn man es per Reißverschluss öffnet, hat man das Gefühl, nachts im Freien zu schlafen; der Kopf ist durch die Seitenwände bestens vom zugigen Bergwind geschützt und der Blick schweift in die sternklare Nacht hinaus. Ich habe tatsächlich selten so tief geschlafen. Da müssen sich Hotels und Ferienwohnungen echt warm anziehen.
Wieviel kann man in eine Woche Campen reinpacken?
STADTTRIP IM CAMPER
Frühmorgens geht es weiter Richtung Genfer See. Wir fahren durch die winzigen Gassen eines winzigen Städtchens oberhalb des Lac Lémans und sind heilfroh, hier mit einem kompakten Fahrzeug unterwegs zu sein. Auch im turbulenten Genfer Feierabendverkehr erweist sich die Wendigkeit des Campers als überaus hilfreich. Tiefgarage? Kein Problem! So macht ein Städtetrip Spaß. Einziger Wermutstropfen: Burger für 25 Fränkli, das kleine Bier 9 Fränkli.
Tags darauf statten wir mittags der schnuckligen Schwei-zer Stadt Annecy einen Besuch ab, lassen uns durch die verwinkelten Gässchen treiben und machen uns dann auf Richtung Provence. Dort verzaubert uns Avignon für einen Abend und eine Nacht. Wir schlendern durch die Altstadt, spielen Gitarre, trinken Wein und schon ist schon wieder Mitternacht an unserem wunderbaren Stellplatz direkt am Fluss.
Am nächsten Morgen lautet unser Ziel: Côte d’Azur. Wir steuern zunächst den kleinen Küstenort Cassis an. Hier warten die sogenannten Calananques darauf, von uns erwandert zu werden: Das sind verwinkelte Meerarme in felsigem Gestein, die uns am Ende der Wanderung mit paradiesartigen Sandbuchten belohnen. Ein wunderbares Fleckchen Erde.
LANDYACHTING
Nächster Stopp auf unserer Route ist Ramatuelle bei St. Tropez. Am sagenumwobenen Strand Pampelona, dem Hotspot der Reichen und Schönen, ergattern wir einen Stellplatz in Strandnähe. Hier, zwischen dem LeClub 55, in dem Brigitte Bardot ein und ausging, und dem Nikkibeach-Club, zu dem die Hautevolee mit Helis von den Yachten eingeflogen wird (und in dem man durchaus mal für eine Flasche Rotwein 1.000 Euro latzen kann), gibt es trotzdem immer noch wunderschöne Strandabschnitte für Normalsterbliche: Mit weißem Sand und azurblauem Wasser. Auch wenn uns nonstop klunkerbehangene russische Möchtegern-Influencerinnen mit zugehörigem Instagram-Husbands die Aussicht verstellen, bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen: Britta hängt am Abend ihre handgenähten Röcke auf die Wäscheleine und vertraut darauf, dass es doch noch irgendwo so etwas wie Geschmack gibt. Kleiner Tipp am Rande: Die liebevoll designten Einzelstücke könnt Ihr am 13. Oktober beim Artbrew-Markt auf dem Bürgerbräu-Gelände bestaunen und erwerben.
Tags darauf geht’s an der Küste entlang bis ins italienische Laigueglia: ein kleiner, quirliger Ort mit toller Altstadt, bekanntem Jazzfestival – und einem Campingplatz mitten in der City. Hier bekommen wir tatsächlich nur den allerletzten Stellplatz, weil unser Crosscamp so wendig ist und wir auf dem Mini-Campingplatz so gut rangieren können
VIELSEITIG
Der Crosscamp erstaunt uns tatsächlich immer wieder mit seiner Vielseitigkeit. Man kann in der ersten Etage unter dem Aufstelldach schlafen oder unten die Rücksitze zu einer Doppelliegefläche umklappen und sich dort vom Reisetrubel erholen. Vor allem bei hochgeklappten Bett oben ist das Raumgefühl unten fantastisch. Der Camper zeigt sich innen viel größer als man es von außen vermutet, gerade auch dank des Dachfensters. So fällt uns auch bei schlechtem Wetter drinnen nie „die Decke auf den Kopf“.
Apropos: Am nächsten Tag meldet der Wetterbericht für nahezu ganz Europa Dauerregen. Also machen wir uns wieder auf den Weg Richtung Norden; eine lange Etappe bis nach Österreich liegt vor uns. Es schüttet wie aus Kübeln – und trotzdem bekommen wir kurz vor dem San Bernardino Lust auf Kurven. Wir entscheiden uns also spontan für die abenteuerliche Passroute über das Bergmassiv. Mal sehen, wie sich unser Crosscamp dabei schlägt. Kurz gesagt: fast wie ein Pkw. Souverän nehmen wir die engsten Serpentinen und absolvieren auch steilere Abschnitte problemlos. Auf dem gesamten Pass begegnet uns gerade mal ein anderes Auto. Das Thermometer fällt auf frostige 3 Grad Celsius. Nach den durchschnittlich 30 Grad der letzten Tage eine willkommene Abkühlung. Die Luft ist so rein und erfrischend, dass wir mitten im Regen anhalten und erstmal eine kleine Runde laufen. Letzte Schneefelder liegen noch entlang des Weges, die Szenerie wirkt ebenso gespenstisch wie überwältigend.
SO SCHÖN, SCHÖN WAR DIE ZEIT
Nach einer regnerischem Nacht im österreichischem Feldkirch, geben wir am nächsten Tag, nach fast 3.000 Kilometern, unseren mittlerweile sehr liebgewonnenen Camper wehmütig wieder in Isny ab. Trotz der enormen Strecke halten sich die Spritkosten erstaunlich in Grenzen. Budgetbewusste Campingfans werden mit dem Crosscamp also auf jeden Fall ihre helle Freude haben – auch wegen des vergleichsweise günstigen Anschaffungspreises, der mit 43.000 Euro in der Grundausstattung weit jenseits der teils astronomischen Preise liegt, die in diesem Segment so abgerufen werden. In diesem Sinne: Gute Reise:-)
Text & Fotos: Nico Manger