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Zwischen Raubkatzen und Nashörnern

Kann man beruflich alles hinter sich lassen, sich komplett neu orientieren? Von einem toten, aber sicheren Weg wechseln auf einen lebendigen, jedoch völlig ungewissen? Klar, ein Versuch ist es immer wert. In meinem Fall führte er ins südliche Afrika und am Ende sogar zu meinem ersten Buch.

 

Erdmännchen, die sich in meiner Achillessehne verbeißen, Geparden, die mir mit ihrer rauen Zunge den Kopf putzen, übelriechende Afrikanische Wildhunde, die mich in Stücke reißen wollen, rotzfreche Paviane, die einem in die Unterhose greifen, ein schnarchendes ultraseltenes Pangolin, niedliche Karakale und verwaiste Breitmaulnashörner, die ich mit der Flasche aufziehe, eine respekteinflößende Leopardin, die sich von mir unter dem Kinn kraulen lässt, Löwen, Nilpferde und Spitzmaul-nashörner, denen ich zu Fuß begegne, unterschiedlichste Menschen aus aller Welt, die ich auf den verschiedensten Abenteuern im Busch des südlichen Afrika kennenlerne. All das sind nur ein paar Beispiele, die ich erlebt habe und über die ich in meinem ersten Buch schreibe.

Vor ein paar Jahren hätte ich niemals gedacht, dass ich solche Erfahrungen sammeln würde. Echte Abenteuer, Afrika selbst erleben – und dann auch noch in einer solch intensiven Art, nein, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Bevor ich meinen ersten Aufenthalt in Namibia plante, dachte ich: Träume verwirklichen, das ist nur etwas für andere. Davon war ich tatsächlich überzeugt.

Doch es kam anders, es musste anders kommen, denn durch dieses angepasste, meinem Wesen nicht entsprechende Leben hatte ich mich schon so weit von mir selbst entfernt, dass ich mitten in einer Depression steckte. Aus der ich mich jedoch in dem kommenden Jahr heraus kämpfen sollte. Dabei hätte es doch alles weiterhin so bequem sein können. Nach zwölf Jahren als Soldat hätte ich mich entscheiden können, Berufssoldat zu werden. Es gab auch die Möglichkeit, direkt in den öffentlichen Dienst zu wechseln. Um dort in einem Amt oder einer Behörde am Schreibtisch zu sitzen und auf die vermeintliche Rente zu warten. Die dritte – scheinbar vernünftige – Variante wäre gewesen, mich einfach mit meinem Diplom zum Wirtschaftsinformatiker in die freie Marktwirtschaft zu werfen. Damit würde ich wohl mit Abstand am meisten Geld verdienen. Doch stattdessen ging ich ins südliche Afrika. Immer und immer wieder – und zwar auf eigene Kosten. Insgesamt sieben Mal bereiste ich Namibia und Südafrika innerhalb von nur dreieinhalb Jahren. Arbeitete schwitzend unter der brennenden afrikanischen Sonne monatelang als Volontär auf Wildtierauffangstationen, erkundete die staubige Kalahari als Fotograf und ging am Ende als Wildhüter auf blutige Patrouillen in einem privaten Wildtierschutzgebiet.

ONLY FOOD RUNS

Ich werde immer wieder nach der gefährlichsten Situation gefragt, in der ich mich befand. Schwer zu sagen, es gibt ja viele unsichtbare Gefahren, denen man sich im jeweiligen Moment eventuell gar nicht bewusst war. Verborgene giftige Schlangen, Spinnen, ein Raubtier, das man im Busch vielleicht gar nicht bemerkt hat, während man ein paar Meter entfernt an ihm vorbei lief. So etwas eben. Ich könnte jetzt nicht sagen, welche lebensbedrohliche Situation, die ich in meinem Buch beschreibe, die gefährlichste davon war. Was mir jedoch in allen Erlebnissen Sicherheit gegeben hat, waren die verschiedenen Verhaltensregeln, die ich über die Zeit gelernt habe. So zum Beispiel: „Only Food runs“ – die mit Abstand wichtigste Regel im Umgang mit Raubtieren. Wer wegrennt, zeigt seine Schwäche, seine Unterlegenheit. Außerdem weckt er automatisch den Instinkt beim Räuber, die fliehende Beute zu jagen. Davonkommen ist ohnehin unmöglich. Deshalb gilt: Wenn du einem Raubtier wie etwa einem über 200 Kilogramm schweren Löwen – begegnest, kannst du viel machen: zum Beispiel beten, laute, der Großkatze fremde, Geräusche erzeugen, dein Gewehr (falls du eins hast) in Anschlag nehmen und hoffen, dass du es nicht brauchst, dir vor Angst in die Hose machen … was auch immer – aber eins mach niemals: wegrennen. Denn nur Beute rennt! Und da kannst du nur verlieren. Usain Bolt, der schnellste Mensch der Welt, schafft 44 Stundenkilometer, ein Löwe über 80! Und die schwere Raubkatze ist noch nicht mal das schnellste, sondern nur das größte Raubtier Afrikas. Bei anstürmenden Spitzmaulnashörnern oder Nilpferden gelten jedoch andere Regeln …

Aber nicht nur um das eigene Überleben im afrikanischen Busch geht es in meinem Buch, sondern, wie bereits angedeutet, auch um das Überdenken, Überwinden und Überleben falscher Lebenswege. Am meisten jedoch um das Überleben der afrikanischen Wildtiere, deren Lebensraum immer kleiner wird. Viele stehen kurz vor dem Aussterben, so zum Beispiel das Nashorn, das Pangolin oder der Afrikanische Wildhund. Andere wie der Gepard, der Leopard oder das Nilpferd sind auf dem direkten Weg dorthin.

RHINO-WAR

Ich setzte mich immer wieder den verschiedensten Gefahren aus. Wieso? Die Antworten sind vielfältig. Weil ich etwas Sinnvolles, etwas Lebendiges tun wollte. Weil ich diese berauschenden Landschaften und ihre einmaligen tierischen Bewohner fotografisch festhalten wollte. Weil ich die Hintergründe im Konflikt zwischen Wildtier und Mensch sowie der Wilderei selbst erkennen und echtes, ungefiltertes Wissen darüber erlangen wollte! Weil ich einen Beitrag zum Schutz dieser mich so faszinierenden Geschöpfe leisten wollte! Und weil ich nicht tatenlos beim Aussterben der letzten Nashörner auf unserem Planeten weder zusehen wollte noch will.

Denn in Afrika herrscht Krieg. Ein von uns in Europa wenig beachteter Krieg. Ein Krieg um die letzten Nashörner. Und dieser hat einen eigenen Namen: „Rhino-War“. Es ist ein recht ungleicher Kampf. Auf der einen Seite steht das organisierte skrupellose internationale Verbrechen, auf der anderen Seite die so gut wie wehrlosen Nashörner. Dazwischen eine dünne Linie unterbezahlter staatlicher Wildhüter und Soldaten sowie nicht staatliche Antiwilderer-Organisationen und Besitzer privater Wildtierschutzgebiete mit ihren Angestellten. Erschwert wird der Kampf gegen die Wilderer häufig durch korrupte Regierungen und Behörden, die mitverdienen – zum Beispiel in Südafrika. Wie dramatisch das Sterben der Nashörner ist, lässt sich einfach in Zahlen darstellen. Nehmen wir nur das Spitzmaulnashorn, das zur kleineren, aggressiveren der beiden noch existierenden afrikanischen Nashornarten gehört und auf dem Cover meines Buches zu sehen ist. Um 1900 gab es auf dem ganzen Kontinent noch in etwa 850.000 Stück dieser Art. In den 1960er Jahren ging der Bestand auf 80.000 Stück stark zurück. Heute sind es nur noch 5.000 in ganz Afrika! Innerhalb eines Jahrhunderts hat der Mensch es durch unkontrollierte Jagd und jetzt vor allem durch Wilderei bis kurz vor die Ausrottung getrieben!

Aber was ist der Grund für diesen ganzen Wahnsinn? Geld. Der Preis auf dem Schwarzmarkt für ein Kilo Horn beginnt (!) bei rund 55.000 US-Dollar. Damit ist er höher als der von Gold oder Kokain – Horn zählt zu den teuersten Elementen auf dieser Welt. Rebellen- und Terrororganisationen finanzieren sich sogar mit den Hörnern der Tiere. Sie stehen somit auf der gleichen Stufe wie die sogenannten Blutdiamanten. Aber wer will überhaupt diesen „Rohstoff“? Wer zahlt Unmengen an Geld für etwas, das einem Tier aus dem Gesicht gehackt wurde, um es im Anschluss verbluten zu lassen? Wenn es nicht schon vorher tot war, durchsiebt von großkalibrigen Gewehren, ausgestattet mit Schalldämpfern. Die Käufer sitzen in ostasiatischen Ländern, allen voran China und Vietnam. Hier wird durch eine fehlgeleitete traditionelle Medizin dem Horn des Tieres eine heilende Wirkung zugeschrieben. In Vietnam wird sogar behauptet, es heile Krebs. Die Regierungen dieser Länder haben kaum bis offensichtlich kein Interesse daran, ihre Bevölkerung darüber aufzuklären, dass mit dem Kauf der Produkte eine ganze Tierart ausgerottet wird. Die angebliche Heilwirkung hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage, denn eines steht fest: Das Horn besteht ausschließlich aus Keratin – dem gleichen Material wie menschliche Fingernägel. Aber im Irrglauben über die (nicht vorhandene) Heilwirkung liegt nicht der einzige Grund für den Preis. So ist zum Beispiel Elfenbein zum Statussymbol reicher Chinesen und Vietnamesen avanciert – wird aber vom noch weitaus selteneren und teureren Horn eines Rhinos noch um Längen übertroffen, wenn es darum geht, Freunde und Geschäftspartner zu beeindrucken. Umso seltener, umso teurer, umso teurer, umso besser – so einfach ist die Rechnung dieses Wahnsinns. So traurig es ist, es ist die Wahrheit – doch gerade das macht es so wichtig, nicht wegzusehen und möglichst viele Menschen darauf aufmerksam zu machen. Andernfalls ist es bald zu spät.

Meine Erfahrungen und mein Wissen möchte ich nutzen, um weiterhin auf den Konflikt zwischen Wildtier und Menschen hinzuweisen. Freie Nashörner in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren ist etwas so unvergleichlich Schönes und fasziniert immer wieder aufs Neue! Umso mehr wünsche mir, dass dies auch noch den nächsten Generationen vergönnt bleibt. Aus diesem Grund möchte zum Schutz der Nashörner so viel beitragen, wie es mir nur irgendwie möglich ist. Aber dafür brauche ich Unterstützung – ganz gleich, ob in Form von Organisationen, Firmen oder einzelnen, ebenfalls begeisterten und verantwortungsvollen Menschen.

Willst Du mehr über das Buch oder mich erfahren, dann besuche gerne meine Website: www.animalperson.org oder folge mir auf Instagram unter @animalperson. Auf meiner Website gibt es Animalperson-Logo-Merchandise sowie hochwertige Wildtierfotografien in verschiedensten Größen. Mit jedem Kauf unterstützt Ihr meine zukünftigen Projekte.

Sebastian Hilpert wurde 1985 in Würzburg geboren. Der ehemalige Soldat ist unter anderem gelernter Wirtschaftsinformatiker, aktuell jedoch Wildtier-Fotograf und Autor. Seine Motivation ist es, die Wildtiere Namibias sowie ihren natürlichen Lebensraum zu schützen. Sebastians erstes Buch „ÜBERLEBEN – Als Wildhüter in Afrika“ erschien vor kurzem im Bastei Lübbe Verlag.

Am 25. Oktober könnt Ihr Sebastian Hilpert, im Rahmen der „Langen Nacht des Lesens“ live im Hugendubel erleben.

 

ABER EINS MACH NIEMALS: WEGRENNEN. DENN NUR BEUTE RENNT!