Alle Artikel in: STADTBILD

Heute hier, morgen fort

Einfach mal ein halbes Jahr mit der Wanderuni durchs Land ziehen Ich muss mal raus … einfach mal an die frische Luft, dem Trott entflieh’n … ’nen klaren Kopf bekommen und niemanden sehn’: Alles Sätze, die Manoel Eisenbacher so definitiv nie gesagt hat. Als der heute 28-Jährige 2016 das erste Mal von der Wanderuni hörte, verspürte er vielmehr latente Beklemmung als den nach Freiheit dürstenden Impuls der Stadtflucht. Im Gegenteil: Die Idee, ein knappes halbes Jahr in deutschen Landen unterwegs zu sein, ohne einen festen Tagesablauf geschweige denn einen festen Schlafplatz, hätte dem gelernten Winzer und Fotografen nicht mehr Unwohlsein bereiten können, wie er uns erzählt. „Tatsächlich bin ich eher ein strukturierter Typ und brauche immer eine gewisse Vorhersehbarkeit, um mich safe zu fühlen.“ Rückblickend lässt sich daher nicht mehr sagen, welcher Teufel Manoel geritten haben muss, zwei Jahre später seine Komfortzone im beschaulichen Würzburg zu verlassen … Neugierde könnte es gewesen sein, die ihn zum ersten Infotreffen der Wanderuni im November 2017 trieb, oder – und das ist wahrscheinlicher – die ansteckende Begeisterung einer …

Ich packe meinen Rucksack für 25 Jahre

Über das Gespräch mit einem obdachlosen Menschen – und unseren Zeitgeist   In der Hektik der heutigen Zeit zieht vieles an uns vorbei. Wir haben verlernt, Werte zu schätzen. Wir werden oberflächlicher, sehen vieles als selbstverständlich. Wir wollen immer mehr. Erfolgreich sein. Das Bestmögliche erreichen. Denn das, was wir besitzen, und das, was wir sind, reicht noch nicht aus. Wir machen uns Sorgen, das Beste nie erreichen zu können. Etwas zu verpassen. Dem Standard der Masse nicht standhalten zu können. Für jeden von uns ist es selbstverständlich, nach der Schule oder der Arbeit nach Hause zu fahren, sich auf zu Hause zu freuen. Es ist selbstverständlich, noch einen kurzen Abstecher in den Supermarkt zu machen, wenn der Kühlschrank leer ist. Es ist selbstverständlich, sich nach einer warmen Dusche in sein eigenes Bett legen zu können. Manchen Menschen sind jedoch all diese Selbstverständlichkeiten abhanden- gekommen. Menschen, die von uns oft ignoriert und herabgestuft werden, weil sie nicht mehr mit den gleichen Standards leben können, wie wir. Ich selbst bin an diesen obdachlosen Menschen mit schnellen Schritten …

Im August

Im August ruht die Stadt. Sie ruht sich aus vom Lärm, vom Stress und von der Hektik. Vom  Menschen. Solange ich denken kann, ist das so im August. Als Jugendlicher war da nur dieses vage Gefühl, dass in diesem Monat irgendetwas anders ist. Undefiniert. Nach Jahren bilden sich Konturen, formen sich Muster und am Ende herrscht Gewissheit: Der August ist ein Exot. Das könnte das vorläufige Ende dieses Textes sein. In einer Zeit, in der stumpfe Parolen und Protestschildsätze mehr Publikum erreichen als Erläuterungen, kann ich jetzt auch aufhören. Speichern, Laptop zu. Der August ist ein Exot. Der August ist ein Idiot. Der August ist ein Chaot. Und Steine hat er auch geschmissen! Na gut, statt wütender Flüsterpost – der ganze Text: In Deutschland, in Bayern, in Würzburg macht man im August: Urlaub, Punkt. Entweder sind es die Sommerferien der Kinder oder der Kitas, die Semester- oder Betriebsferien, weil man es halt so macht oder schon immer so gemacht hat oder weil halt eh nur Wiederholungstatorte laufen. Ganz egal, aber Urlaub muss! Und so leert …

Kalte Liebe rostet nicht.

3-STERNE-ALL-INCLUSIVE AUF MALLE WAR GESTERN: Wer heutzutage gediegen urlauben möchte, der campt wieder. Ein besonders entdeckenswertes Kleinod für Erholungssuchende mit mobilem Zuhause liegt direkt vor unserer Haustür. Vollbepackt mit Vorurteilen von Plastiktischdecken, Gartenzwergen und Co. haben wir ihm einen Besuch abgestattet – und wurden in vielerlei Hinsicht überrascht … Elf Uhr mittags an einem Sommertag in Heidingsfeld. Etwa zehn Kilometer südlich von Würzburgs Altstadt eröffnet sich vor uns das Tor zu einer Parallelwelt. Direkt am Main gelegen befindet sich hier inmitten von Wiesen und Feldern ein Campingplatz mit dem klangvollen Namen „Kalte Quelle“, auf dem seit über einem halben Jahrhundert Gäste aus aller Welt zeitweise oder dauerhaft ihr Lager aufschlagen. Wobei „Lager“ in den meisten Fällen freilich einem Understatement gleichkommt – dazu aber später mehr. Die ersten, die uns in dieser Welt begegnen, sind ein Haufen nicht zu überhörender Niederländer, die es sich vor ihren zwei vollintegrierten Reisemobilen mit Kaffee, Schnittchen und einem Kartenspiel gemütlich gemacht haben. Vollintegriert – das hat man uns kurz darauf erklärt – sagt in diesem Fall aber weniger über das …

Licht & Schatten

Würzburger Kirchen in der Weihnachtszeit. Zwischen Licht und Schatten, hell und dunkel, zwischen beeindruckender und beängstigender Architektur. Wir haben 24 verschiedene Würzburger Kirchen in der Weihnachtszeit besucht, um die verschiedenen Stimmungen einzufangen, die Architektur und Licht erzeugen. Fotos: Nico Manger

Mobil in Wü

Neu hier? Dann nichts wie ab ins Getümmel. Am besten natürlich mit Bus oder Straba. Wer sich in unserer schönen Stadt dennoch todesmutig per Auto oder Fahrrad von A nach B bewegen will, dem sei Folgendes mit auf den Weg (haha) gegeben. Berliner Ring Ja, der Berliner Ring, der Kreisverkehr der Kreisverkehre der Kreisverkehre. Als Auto- oder Fahrradfahrer kommt man in Würzburg um dieses Rondell des Grauens einfach nicht herum. Oder besser gesagt: hindurch. Der Berliner Ring verfügt eigentlich über drei Spuren. Dennoch gilt: Die innere Spur ist grundsätzlich tabu. Der Legende zufolge existiert hierzu auch ein Stadtratsbeschluss aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert, welcher der Redaktion aber leider nicht vorliegt. Warum sich an diesem Verkehrsknotenpunkt gefühlt mehr Staus und Unfälle ereignen als auf der A1 zwischen Köln-Niehl und Kreuz Köln Nord ist vor allem der geografischen Lage des Berliner Rings geschuldet: Er befindet sich nämlich in Deutschland – und der durchschnittliche deutsche Autofahrer ist in Sachen Flexibilität, Improvisation und Kommunikation bekanntlich ja eher so semibegabt. Sprich: Er fährt grundsätzlich hochaggressiv in den Kreisverkehr ein, um …

Das Streben nach Kunst

Als Simon in der 7. Klasse im Kunstunterricht zum ersten mal ein Porträt zeichnete, hatte er keine Ahnung, wie wichtig Kunst für ihn werden würde. Nur vier Jahre später ist eine erste Ausstellung seiner Werke im Kirchner-Haus in Aschaffenburg im Gespräch. Für Liebe Nachbarn hat der 16-jährige einige seiner Werke Ausgepackt. Simon Hajer ist 16 Jahre alt, wurde in Würzburg geboren und ist ein echtes Naturtalent: In seinen jungen Jahren hat er bereits 700 Zeichnungen zu Papier gebracht. Den Grundstein für sein fotorealistisches Zeichnen legte er im Alter von 12 Jahren – mit dem Porträt einer fiktiven Person. Von da an ging es immer weiter: Zunächst zeichnete der junge Künstler Fotos ab, wie ein Porträt von Hedy Lamarr oder eine Kugelschreiberzeichnung von Sylvester Stallone. Mit der Zeit wurden Simons Werke freier und kreativer – so auch seine Version der Mona Lisa, für die eine Bluse seiner Mutter dran glauben musste. Das Kunstprojekt in der 9. Klasse stand schließlich unter dem Motto „Recycling“. Heute fertigt der junge Künstler abstrakte Bilder und Ölbilder genauso an wie Zeichnungen …

140 Jahre XXXL Neubert – ein großes Fest als dickes Dankeschön

Wenn das traditionsreiche Würzburger Möbelhaus XXXL Neubert im Oktober und Novemberseinen 140. Geburtstag mit zahlreichen Aktionen und sensationellen Rabatten feiert, ist dies auch ein dickes Dankeschön an die vielen treuen Kunden: Das Einrichtungshaus in der Mergentheimer StraSSe hat in all den Jahren fortwährend MaSSstäbe in der Branche gesetzt und ist das Drehkreuz der mittlerweile 38 XXXL Möbelhäuser in ganz Deutschland. 140 Jahre im Zeichen zufriedener Kunden: Wenn das kein Grund zum Feiern ist! XXXL Neubert war schon immer Vorreiter in Sachen Einrichtung. Was 1876 in einer kleinen Möbelschreinerei seinen Ursprung fand, entwickelte sich stets weiter, war seiner Zeit immer voraus und hat seither den Markt geprägt. Von Beginn an hatten die Gründer nur ein Ziel: zufriedene Kunden. Das ist bis heute geblieben und noch immer oberste Prämisse! „Denn nur wenn unsere Kunden zufrieden sind, können wir erfolgreich sein“, sagt Helmuth Götz, Mitglied der Geschäftsführung bei XXXL Neubert: „Und wir sind bis heute überaus erfolgreich!“ Mantelsonntag am 30. Oktober Der Erfolg wird nun groß gefeiert – gemeinsam mit den Kunden steigt die große Geburtstagsparty Ende Oktober/Anfang …

DA BRAUT SICH WAS ZUSAMMEN

Früher Bier für alle – heute Treffpunkt für alle: Seit 2013 laufen die Umbauarbeiten auf dem Bürgerbräu-Gelände in der Zellerau. Mittlerweile haben sich dort Läden, Cafés und Galerien angesiedelt, noch in diesem Jahr steht auch der Umzug des Central-Programmkinos auf dem Plan. Eine kleine Zeitreise in die bewegte Geschichte des Areals. Die Anfänge des Bürgerbräus gehen auf das Jahr 1815 zurück, als der Weinhändler und Zeller Schultheiß Kilian Lauck in Zell die Sudstätte „Brauhaus Zell am Main“ gründet. 1829 gibt es bereits acht Brauereien in Würzburg, die zusammen 6.000 Fuder, also 6.000.000 Liter Bier erzeugen. Später wird die Brauerei verkauft und der Bau eines Bierkellers leitet den Umzug in die Frankfurter Straße ein. 1834 gibt es inzwischen mehr öffentliche Bierkneipen als Weinschenken; eine Entwicklung, von der im 13. Jahrhundert wohl niemand zu träumen gewagt hätte, als das Biertrinken in Würzburg verpönt und der Verkauf des Gerstensafts streng verboten war. Nach Abschluss des Umzugs in die Frankfurter Straße wird die Brauerei in eine GmbH umgewandelt und trägt ab sofort den klangvollen Namen „Kinzinger & d’Hengelière Bürgerliches …

MIT ZWEI WOLLDECKEN IM KELLER

IN DIE KURZZEITÜBERNACHTUNG KOMMEN AUCH MÄNNER NACH AKUTEM WOHNUNGSVERLUST. Erwin Dietrich kann heute Abend endlich wieder in einem
 Bett schlafen. In einem richtigen Bett. Mit Matratze. Bettdecke. Kopfkissen. In den vergangenen Nächten hatte er mit zwei Wolldecken vorlieb nehmen müssen. „Ich schlief in einem Keller“, sagt der 67-Jährige, der völlig mitgenommen aussieht. Seine Wangen sind eingefallen. Die Haut ist aschfahl. Er ist klapperdürr. Hat lange nichts Warmes mehr gegessen. Die Polizei hatte ihn in dem Keller aufgestöbert. Und zur Christophorus-Gesellschaft gebracht. Mit Geduld lässt Erwin Dietrich in der Kurzzeitübernachtung (KZÜ) alles über sich ergehen. Er beantwortet Fragen. Lässt sich einweisen. Man zeigt ihm sein Bett. Er erhält ein Handtuch. Darf sich duschen. In ihm selbst ist noch ein großes Durcheinander. Alles kommt ihm noch immer wie ein Albtraum vor. Die vielen Nächte im kalten Keller. Mit nur ganz wenig Nahrung. Nie war Erwin Dietrich vorher mit wohnungslosen Menschen in Kontakt gekommen. Den Namen „Christophorus-Gesellschaft“ hatte er zwar irgendwann schon mal gelesen. Aber nicht abgespeichert. Bisher war sein Dasein halbwegs in Ordnung gewesen. Er lebte vier …